Julius Tönebön Stiftung
Bericht aus der DEWEZET von Julia Rau
24.10.2013

Dorf für Demenzkranke schon jetzt beliebt

Im „Tönebön am See“ wird alles etwas lockerer / Pflegekräfte reißen sich um Arbeitsplätze

Morgens um 6 Uhr aufstehen, 7.30 Uhr Frühstück, anschließend Beschäftigung, 12 Uhr Mittagessen, 16 Uhr Kaffee 18 Uhr Kleidung wechseln, danach Ruhezeit. In vielen Altenheimen sind die Tagespläne randvoll. Taktgeber ist zu oft der Dienstplan der Mitarbeiter. Aber: „Wo sind die Wünsche der Menschen, die dort leben?“ Diese Frage stellten sich Petra Visser und Regine Latzko von der Julius Tönebön Stiftung in Hameln. In einem Dorf für Demenzkranke nach niederländischem Vorbild soll nun alles anders, also besser werden. Vor drei Jahren begann die Planung von „Tönebön am See“, nun ist die Eröffnung nicht mehr weit.

Schon im nächsten Frühjahr sollen 52 pflegebedürftige Menschen einziehen. „Ich glaube nicht, dass die Pflege, wie sie jetzt ist, Zukunft hat“, sagt Petra Visser, die die Einrichtung leiten wird. „Die Generation, die heute in Heime geht, möchte alles etwas lockerer, das merken wir jetzt schon“, so Stiftungsvorstand Regine Latzko. Die jetzige Generation der Heimbewohner sei eher an einen strikt geregelten Ablauf gewöhnt. Feste Essenszeiten, Regeln und Pläne. Das alles soll es im neuen Dorf so nicht mehr geben. „Man muss sich das so vorstellen wie in einer Großfamilie. Das Frühstück steht zwar pünktlich auf dem Tisch, aber wer noch weiterschlafen will, kann das ruhig tun“, erklärt Visser. „Die Dorfbewohner sollen selbstbestimmt in Häusern leben, kochen, waschen und ihre Freizeit auf dem Gelände selbst gestalten. Im Dorfladen können die Zutaten für die Mahlzeiten eingekauft werden. Gekocht wird nach eigenen Geschmack.“ Jeder hat ein eigenes Zimmer mit Bad, Küche und Wohnzimmer sind Gemeinschaftsräume.

Neben einem Verwaltungshaus mit Café und Einkaufsladen stehen bereits vier Wohnhäuser auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik Luttmann. Alle werden unterschiedlich eingerichtet. Allerdings nicht, wie beim niederländischen „De Hogeweyk“, nach Lebensstil, sondern nach Einrichtungskonzepten. Die Bewohner sollen dann selbst entscheiden, ob sie lieber in „klassisch-zeitlos“ bordeauxrot, „nordisch“ hellblau oder „modern“ mit gelber Küche leben möchten. Die 13 privaten Zimmer pro Haus sind lediglich mit einem Pflegebett ausgestattet. „Die Bewohner können eigene Möbel und Lieblingsstücke mitbringen“, so Latzko. Sie legt besonderen Wert darauf, den Pflegebedürftigen eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich zu Hause fühlen. Mit etwa 70 Quadratmetern pro Person ist das sogar eine recht stattliche Unterkunft. Üblich sind, die Gemeinschaftsräume prozentual mit eingerechnet, nur 50 Quadratmeter pro Person.

Insgesamt werden sich 35 Pflegekräfte um die Bewohner kümmern. Etwa die Hälfte von Ihnen sind Fachkräfte, die andere Hälfe Alltagshelfer. Letztere kümmern sich immer um dasselbe Haus, helfen beim Kochen und beim Einkauf, „wie eine Mutter“, beschreibt Latzko. Das möglichst eigenständige Leben solle sich auch positiv auf den Gesundheitszustand der Bewohner auswirken. „Demenzkranke erleben viel über die Sinne. Ein Essen zubereiten oder dabei zu sein und es zu riechen, ist etwas ganz anderes, als es einfach vorgesetzt zu bekommen“, meint Visser. Auf der Außenanlage des 11000 Quadratmeter großen Grundstücks wird es eine Art Dorfplatz geben, verschiedene Gärten, Terrassen und einen Brunnen.

Anmeldungen gibt es laut Visser bereits reichlich, freie Plätze aber noch. Einen Arbeitsplatz im Dorf zu ergattern könnte sogar schwerer sein als einzuziehen. Im Gegensatz zum Pflegeheim der Stiftung in der Fischbecker Straße würden sich die Bewerbungen um einen Arbeitsplatz im Demenzdorf stapeln. „Vor allem Pflegekräfte wollen in so einem Umfeld arbeiten“, so Latzko. Allerdings werden nicht mehr alle Mitarbeiter  Pflegekräfte sein, Alltagsbegleiter mit entsprechender Qualifizierung müssten nachrücken. „Insgesamt braucht man gleich viele Mitarbeiter wie für das normale Pflegeheim“, so Latzko.