Julius Tönebön Stiftung
12.09.2017

Gründung der Arbeitsgemeinschaft „15 nach 12“

„Es ist nicht 5 vor 12, sondern längst 15 nach 12“ Pflegekräftemangel beschäftigt Pflegeeinrichtungen aus Hameln, Schaumburg und Hildesheim – AG gegründet


Artikel aus der Dewezet

Am 01. September 2017 hat sich in der Julius Tönebön Stiftung die Arbeitsgemeinschaft „15 nach 12“ gegründet. Die AG thematisiert den Pflegefachkräftemangel, der die Pflegebranche längst erreicht hat und eiskalt erwischt. Davon wissen die Gründungsmitglieder Angelika Rudolf, Einrichtungsleiterin der Julius Tönebön Stiftung, Ingo Peters, Heimleiter der Scharnhorst Residenz sowie Jens-Peter Berndt, geschäftsführender Gesellschafter der medicus Unternehmensgruppe, zu berichten. Sie setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ein und wollen dies in der Arbeit der AG thematisieren.

Die AG hat sich in ihrer Arbeit mehrere Ziele gesetzt. Zum einen brauche man mehr Personal. Das erreiche man aber nur über die Erhöhung der Gehälter und eine Flexibilisierung der Fachkraftquote, die grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, aber nicht mehr zu halten ist. Die Arbeit verteile sich durch nicht besetzte Stellen auf weniger Mitarbeiter. Eine Überbelastung ist vorprogrammiert und zieht hohe Krankenstände nach sich. Freie Stellen können schlichtweg nicht mehr nachbesetzt werden. Der Einsatz von Fachkraft-Leiharbeitern helfe nur punktuell, von Tag zu Tag.

Das Resultat des Fachkräftemangels: es können keine neuen Pflegebedürftigen aufgenommen werden. Wenn auch theoretisch Plätze frei sind, so könne man keine neuen Bewohner aufnehmen. Dies lasse die gesetzlich festgelegte Fachkraftquote nicht zu. Missachtet man diese Vorgabe drohen Bußgelder und behördliche Aufnahmestopps.  Die gesetzlichen Bestimmungen seien in der jetzigen Form unter der veränderten Personalsituation nicht erfüllbar. Angehörige von Pflegebedürftigen haben zudem große Probleme für ihre Verwandten einen Pflegeplatz zu bekommen. Eine wirkliche Auswahl eines geeigneten Pflegeheims haben sie schon lange nicht mehr - im Hinblick auf den demografischen Wandel eine erschreckende Entwicklung.

Zum anderen wolle man den Austausch und das Vertrauen in der Pflegebranche untereinander fördern. Schließlich sitze man im selben Boot, gibt Peters zu bedenken. Eine Konkurrenz unter den Einrichtungen gäbe es schon lange nicht mehr. Denn kaum einer keiner könne noch alle Plätze belegen. Die 50%-Fachkraftquote stelle die Einrichtungen im Hinblick auf den Fachkräftemängel vor ein äußerst schwieriges Problem.

Die Gründungsmitglieder wünschen sich zudem, dass sich niedersachsenweit weitere stationäre und ambulante Pflegedienste finden, die an einer Mitarbeit in der AG interessiert sind. Damit stärke man zum einen den Austausch über Landkreisgrenzen hinweg und stärke die Verhandlungsposition gegenüber den Entscheidungsträgern.

Nicht zuletzt wolle man den Missstand sachlich mit  wissenschaftlich belegbaren Zahlen aufzeigen. Diese fehlen zurzeit aber noch. „Eine Kooperation mit einer Hochschule oder Universität ist erstrebenswert“, betont Peters. Man könne das Thema durchaus emotional diskutieren, die Auswirkungen sind spürbar. Aber um wirklich etwas ändern zu können, benötige man Fakten.

Betreiber von Pflegediensten haben Existenzängste. Fachkräftemangel, eine nicht zu erfüllende Fachkraftquote, Minderbelegung der Einrichtung, fehlende Kostendeckung. Eine Kettenreaktion, die bis zur Schließung führen kann. Berndt stellt klar: „Es geht uns nicht darum mehr Geld zu verdienen.“ Man wolle den Mitarbeitern bessere Arbeitsbedingungen bieten können, um sich langfristig an das Unternehmen binden zu können. In erster Linie, müssen dafür mehr Erlöse erzielt werden können. Berndt betont: „Wir können die Entgelte nicht frei verhandeln.  Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste sind an die mit den Kassen verhandelten Entgelte  gebunden.“ In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern werden höhere Entgelte gezahlt, dort sind die verhandelten Pflegesätze mit den Kassen aber auch erheblich höher. Auch der Stellenschlüssel wäre ein anderer. Hier wünsche man sich Einheitlichkeit in den Bundesländern. Für die gleiche Arbeit, müsse es auch die gleichen Arbeitsbedingungen geben.

Sollte sich über kurz oder lang nichts ändern, dann drohe der „Kollaps der pflegerischen Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten“, erklärt Rudolf ausdrücklich.

V. l. n. r.: Ingo Peters, Heimleiter der Scharnhorst Residenz in Hameln sowie der Pflegeeinrichtung im Zentrum in Bad Nenndorf, Angelika Rudolf, Einrichtungsleiterin der Julius-Tönebön-Stiftung in Hameln und Jens-Peter Berndt, geschäftsführender Gesellschafter der medicus Unternehmensgruppe.